Rika Unger ::
"Jede Saat trägt Frucht" Der Zyklus Lebenshoffnung
auf dem Waldfriedhof Lauheide
(zwischen Münster und Telgte)
mit
acht Bronzeplastiken von Rika Unger
Einführung
Ist unser aller Leben nicht getragen von einer
Kraft, die sich in Wachstum und Entwicklung sichtbar
und erfahrbar macht? Da bilden sich Gestaltungen wie
Pflanzen, Tiere, Menschen, und jeder Mensch zeigt
sich in seiner eigenen Gestalt.
Als Künstlerin stehe ich staunend vor dieser
Gestaltfülle, die viel Ähnliches und gleichzeitig
Individuelles sichtbar macht. Welche vielfältigen
Kräfte sind hier am Werk! Mitten darin ist etwas,
das sich allem Begreifen entzieht, auch mitten in
meinem eigenen schöpferischen Prozess. Ich möchte es
die "Kraft der Verwandlung" nennen. Wer kann es
begreifen, dass aus einer Raupe, die zur Puppe
erstarrt, ein Schmetterling hervorkommt? Wer kann es
je begreifen, dass ein stolzes Ich irgendwie
aufbricht und sich offen einem anderen Ich zuneigt?
Und dass dann Liebe als eine Kraft wirksam wird
innerhalb der harten Ich-Strukturen der Menschheit
und überall auf unserer Erde Boden gefasst hat und
Verwandlung schafft, so dass Menschen im Vertrauen
miteinander leben, wenn auch in kleinen oder
kleinsten Gemeinschaften? Da geht eine Saat auf, die
vor 2000 Jahren auf Golgatha gesät wurde.
Dies ist, in wenigen Worten gesagt, der bewegende
Stoff und Anstoß für mich, der mich zu dieser
jahrelangen Gestaltung geführt hat, die ich nenne:
"JEDE SAAT TRÄGT FRUCHT". Der Künstler kann nur
zeichenhaft etwas von einem inneren Weg sichtbar
machen. Die Sprachmittel sind die acht Plastiken.
Plastiken sind räumliche Gebilde. Sie drücken
Bewegungen aus, die im Raum als vertikal, horizontal
und in die Tiefe weisend erlebt werden können. Alle
acht Plastiken sind in dieser Weise lesbar, sind
aufeinander bezogen. Auch kann der Goldglanz, der an
jeder der Plastiken an einer Stelle von der
polierten Bronze ausstrahlt, den Zusammenhang
verstärkt zum Ausdruck bringen. In vertikaler
Richtung wachsen alle in die höhe, so wie ein Mensch
langsam zu seiner aufgerichteten Gestalt gelangt.
Obwohl die Plastiken in den Boden eingelassen sind,
haben sie alle einen eigenen Boden, der sie trägt.
So kommen die beiden Scheiben (das Senfkorn) aus
einem schwarzen Quadrat (Eisen) hervor, die Blüte
und der Halm aus einem Rund, die Frucht aus seinem
ovalen, ellipsoiden Boden und der Verwandler stellt
den Fuß auf ein spiralig baumartiges Gebilde. Von
diesem Grund aus kann das Auge sich an der
vertikalen Richtung entlang tasten und kann
körperlich nachvollziehen, in welche jeweiligen
Bewegungen die Gestaltung führt. Auf diese Weise
vermag der Betrachter die Verfremdung, die jedes
Kunstwerk durch die im Material fest geformte
Gestaltung an sich hat, zu überwinden und das Werk
in einen lebendigen Bezug zu sich selbst zu bringen.
Fotos: Ralf Emmerich
Zeichnungen und Texte: Rika Unger
gefördert vom Kulturamt der Stadt Münster
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