Rika Unger ● Über meine Arbeit | Der Gestaltungsprozess | Die Künstlerin
Gekröntes Haupt  
„Wie kann ich das mit Worten ausdrücken, das ich selbst über meine Arbeit weiß?

Ich muss es eigentlich ganz dem Betrachter selbst überlassen, anzuschauen, was vor seinen Augen steht. Es liegt dem kein Plan zugrunde, es sind auch nicht von außen gegebene Aufträge, die meine Arbeit voran getrieben hätten.

Vielleicht kann man die Plastiken und Holzschnitte mit den Stationen eines Weges vergleichen, der noch nicht zu ende gegangen ist, und von dem ich auch nicht weiß, wohin er führen wird. Was weiß ich über den inneren Motor zu sagen, der meine Hand führte von 1948 bis heute? Das Eigentliche und Tiefe ist nicht in Worte zu fassen. Was aber in den obersten Schichten meines Bewusstseins liegt, will ich nennen.

Es ist einmal die wachsende Liebe zu den Materialien Terrakotta, Holz, Stein und Bronze. Sie in ihrer Eigengesetzlichkeit immer tiefer zu begreifen, bedeutet erhöhte Spannung beim Zusammenstoß des schöpferischen Impulses mit dem Stofflichen, das jenem zur "Sichtbarmachung" behilflich sein soll. Dies kann man ganz bewusst beobachten; es ist aber meine Erfahrung geworden, dass diese Spannung dennoch niemals den zündenden Funken hervorgebracht hat, obwohl sie ihn auslösen half. Das empfinde ich geradezu als paradox im schöpferischen Prozess, dass kein Material - so wesentlich es seinen Platz im Gestaltungsprozess einnimmt - dass auch keinerlei Energiesteigerung das eigentlich Bewegende hervorzubringen vermag.
Ich weiß auch um die Freude am Experimentieren, und es ist wie ein spielerisches herumprobieren an diesem oder jenem Material, wenn man zu einer Form finden will. Immer wieder wird das Gefundene verworfen und man beginnt von neuem, bis plötzlich, wie von jenseits, das Gesuchte vor einem steht.

Über diesem, was ich hier nannte, was also bewusst ist, lebt aber etwas, das zu dem führt, dass es zur "äußeren Darstellung eines inneren Vorgangs" kommt, wie der große Meister Barlach es so treffend formulierte. Dazu gehört für mich auch ein mehr oder weniger bewusstes "Ausschau-halten" nach dem Menschen, und zwar nach seiner Gebärde, nicht zu verwechseln mit Pose. er menschliche Akt hat mich nie wesentlich interessiert. Da wurde mir nichts sichtbar, er blieb für mich Fassade.

Die Gebärde macht etwas sichtbar, das tiefer liegt und  von Kräften gesteuert wird - so erlebte ich es - und durch die der Mensch mehr oder weniger Mensch wird. Ich möchte durch das Wie erfahren, welche Kräfte es sind; denn man kann ja nicht hineinsehen. Ich habe die gestaltende Hand zu Hilfe genommen, um diesem nachher auf den Leib zu rücken.

Ist das nun alles Kunst? Bin ich damit eine Stimme inmitten der Kunst heute? - Für den, der gestalten muss, wird diese Frage unwesentlich.

Ich habe auf meinem Weg einiges gefunden und habe für diese Ausstellung die Plastiken ausgewählt die, nach meinem Empfinden, am deutlichsten etwas davon bekunden.

So wurde die Gestalt in dem grau glasieren Steinzeug eben dieses "weniger" in der Gebärde, bis in die Haut hinein ist er verhärtet. Dies ist konkret gemeint, Verwandlung ist nicht mehr möglich. Ich fand für diese Figur die Bezeichnung "der minus-mensch". Die "sich aufrichtende Gestalt" aber lebt von einer andersartigen Gebärde. ich bezeichne sie als die offene Gebärde, die der Mensch von ich weg vollzieht, durch die er eine neue Dimension an sich heranholt, ja, sich diese zugehörig macht.

So empfängt die "sich aufrichtende Gestalt" zu der Schwere, die dem Trägheitsgesetz aller Materie unterliegt, dieses "mehr" eines anderen Gesetzes. So auch der "Tor" - so bildet sich bei der Plastik "die dritte Kraft" durch die kleine Gestalt der innere Lichtstern, der damit zugleich die auseinander strebenden Polaritäten zusammenhält.

Zwischen den beiden Gestalten "vereinigt" wächst ein lichter Raum, der sich nach oben vergrößert. Und es ist alles in der Gebärde vollzogen, dass diese sozusagen den Rand bildet, der den offenen Raum umschließt. Der lichte Raum ist es auch, der bei den beiden Plastiken "christopherus 2 und 3" die Einheit von oben und unten herstellt. Dieser Raum ist das Zentrum in den Kreuzen, er aktiviert sich zur Sprengkraft in dem Kreuz von Derschlag.

Die Plastik "Raupe - Schmetterling" macht sichtbar, dass Verwandlung geschieht. In dem unteren Gebilde wird die Dunkelheit eingeschlossen, und die Gestalt, die sich auf der unteren aufbaut, ist ganz offen für das Licht und in ihrer Gebärde wie von Licht getragen.

Dies fand ich bisher auf meinem Wege.”

  

  
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