Die Liebe zu den Materialien, die Freude am
Experimentieren und die "äußere Darstellung eines
inneren Vorgangs" - dieser Dreiklang hat Rika Unger als
Künstlerin angetrieben. Zum 100. Geburtstag in diesem
Jahr stellen Stadtmuseum, St.-Joseph-Kirche und die
Galerie Unger sämtliche Arbeiten einer originellen
Werkgruppe der münsterischen Künstlerin vor: Monorisse.
Im Zentrum der Gestaltung steht "der Riss". Unger, die
die Bombardierung Münsters
erlebt hat, nimmt ihn nicht nur als Gestaltungselement,
sondern auch inhaltlich. In den 1970er Jahren brachen
gesellschaftlich Bruchstellen auf. In dieser Zeit
entwickelt Unger diese Grafiken. Grundmerkmal ist
sorgsam gerissenes Scherenschnitt-Papier, denn bei
diesem entsteht ein signifikanter weißer Rand. Die
Monorisse tragen keine Titel, aber vier Leitmotive
lassen sich ausmachen: "Lichtblick im
Verhüllungsbereich", "Das Licht bricht sich Bahn", "Neue
Horizonte brechen auf" und "Vom Ich zum Du", Letzteres
bezieht sich auf den Religionsphilosophen Martin Buber.
Durch das Schichten, Verflechten und Aneinanderfügen der
gerissenen Papiere ergibt sich Tiefe. Die weißen
Reißkanten wirken dabei stellenweise wie Lichtakzente:
tanzende Schaumkronen oder Spiegelungen des Mondes.
Hinzu kommt die Farbe. Hier spielt Unger mit der
Verhüllung des Farbspektrums durch Grau, wodurch hier
und da Tiefe entsteht.
In einem räumlichen Anschluss an die Pietá ist in der
Josephskirche eine Passionsfolge mit zwölf "Stationen"
zu sehen. Sie beginnen mit den "Händen des Pilatus", der
"Dornenkrone", "Karfreitag", "Niederfahrt zur Hölle",
"Karsamstag" und setzen sich mit Motiven zur Verwandlung
vom Tod zum Leben, der Auferstehung, fort. Hier wird die
gesamte Ausrichtung von Rika Unger deutlich: eine
Hinwendung zum Leben, eine Deutung des Lebens als
Wandlungsprozess.
Unger (1917-2002) war Pfarrerstochter, studierte beim
münsterischen Tierbildhauer Arnold Schlick, zog unter
anderem vier Jahre mit einem Zirkus umher, begegnete dem
berühmten Clown Grock. Viele ihrer Skulpturen sind in
Münster zu sehen wie das Portrait des Freiherr vom Stein
im Stein-Gymnasium oder eine Büste Martin Luthers im
Martin-Luther-Haus.
Die Ausstellung im Stadtmuseum (Salzstraße), in der
St.-Joseph-Kirche (Hammer Straße) und der Galerie Rika
Unger, St.-Josefs-Kirchplatz 18 (Tel. 79 17 50), dauert
bis zum 23. April 2017. Am 21. April um 16 Uhr liest Dr.
Gabriele Bieling aus Briefen Rika Ungers. |
www.rika-unger.de
Mehr Bilder zum Thema in den Fotogalerien auf www.wn.de
Zitat aus Westfälische Nachrichten vom Freitag
02.03.2017
Text, Fotos, Redaktion u. Zitaterlaubnis: Gerhard H.
Kock
02.03.2017 WN Münster - Kultur
|