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Rika Unger :: Ein Portrait aus "Meister bildender Künste"

von Axel-Alexander Ziese

"Wenn wir ohne Schwierigkeiten den Sinn und die Logik eines Musikwerkes erfassen, dann deshalb, weil sich dieses Werk auf die Gesetze von Harmonie und Komposition gründet, von denen wir entweder ein erworbenes oder ererbtes Wissen haben... Die Gesetze dieses neuen Gebietes sind noch kaum formuliert, doch werden sie zunehmend deutlicher, wie auch die musikalischen Gesetze immer deutlicher werden, und sie werden sehr rasch ebenso verständlich sein wie die gegenständlichen Darstellungen der Natur." Picabia erhob diesen Anspruch für die Kunst nicht nur durch die Behauptung einer Analogie zwischen Malerei und Musik, sondern auch in dem er betonte, dass die Regeln der Malerei nicht weniger als die der Musik gelernt werden müssen.

Für Rika Unter waren die Farbseminare bei Dr. Frieling wie das Erlernen eines Regelwerkes, so dass sich für sie das Geistige in der Kunst zu öffnen begann und eine kosmische Metaphorik sich ihr entschlüsselte. Nigel Pennick charakterisierte 1980 die beständige Anziehungskraft geometrischer Figuren so: "... sie ist unauflösbar verbunden mit verschiedenen mystischen Lehren... so behandelt die allgültige, heilige Geometrie nicht nur die Proportionen üblicher, mit Lineal und Zirkel konstruierter geometrischer Figuren, sondern auch die harmonischen Verhältnisse der Teile des Menschen zueinander, die Strukturen von Pflanzen und Tieren, die Formen von Kristallen und Naturobjekten, die alle Manifestationen des universalen Zusammenhangs sind seit Urzeiten an."

In den Monorissen von Rika Unger ist es nicht leicht, ihre Beziehung zu alten und neuen Richtungen meditativer, spiritueller Bedeutung nachzuweisen. Der Betrachter muss sein oberflächliches Denken an Jetzt und Heute, der Vordergründigkeit des Alltags aufgeben, wenn er dem Weg zu den Quellen der Ideen zu den Monorissen der Künstlerin folgen will. Die Quelle ihrer Iden, die metaphysischen, religiösen Schlüsse, die sie in den Reichtum der modernen abstrakten Farbausdrücke inkorporiert, werden entzifferbar, als wenn es sich um eine fremde Sprache handle, im aktiven Miteinander und Gegeneinander des schaffenden Künstlers und betrachtenden Meditierenden.

Rika Unger sagt über sich, dass Studienfahrten nach Burgund, in die Bretagne, nach Italien, Holland und Frankreich, aber insbesondere nach Griechenland, Kreta und Malta ihr Einblick schenkten in den gewaltigen Strom schöpferischer Äußerungen der Menschen, der zurück reicht bis 20.000 vor Christi und sich fortsetzt bis zum heutigen Tage und immer neue Gestalt hervorbringt und somit das sich wandelnde menschliche Bewusstsein spiegelt. Diesem Strom fühle ich mich angeschlossen. Daraus wuchs mein Weg, auf dem ich noch bin und weiter gehen werde. Kann man den Gegensatz zwischen einer oberen und einer unteren Sphäre, dem Geistigen und dem Physischen, verfolgen, so wird die von Rika Unger gewählte Bezeichnung "Monorisse" erklärbar, denn für sie haben sie ihren Ursprung da, wo Risse und Spalten als Prozess von Absterben und Aufbrechen gesehen und erlebt werden müssen. Die Reihe ihrer Monorisse gliedert sich in einzelne Abschnitte, deren Kapiteltitel spirituell metaphysische Schlüssel sind, wie das Licht bricht sich Bahn, Lichtblick im Verhüllungsbereich, neue Horizonte brechen auf und du und ich.

Plastik kann auch Rand für Raum sein, wie Henry Moore zu seinen Arbeiten ausführte und von Rika Unger übernommen wurde. Die "Wegzeichen" stellen sich mit ihrer Bedeutung tatsächlich in den Weg; in den Lebensweg wie bei Janusz Korczak, an dessen Martyrium, seiner freiwilligen Entscheidung, die Kinder in die Gaskammer zu begleiten, sie sich orientierte. So kann Rika Unger das Zeitliche in den Bezug zum Ewigen stellen und dem Glauben Stärke abverlangen. Ihre meditativen Plastiken stehen aufrecht und nehmen horizontale Bezüge auf, um mit den Betrachtern in Kommunikation zu treten. Ihre bewußte Konstruktion nach den Koordinaten des Raumes bleibt bei aller Bewegung des Äußeren spürbar. Die Form ist in sich beweglich, in Fluss gesetzt. Beginnt der Betrachter mit der Detailstudie, so nimmt die gesamte Plastik neue Gestalt an, sie öffnet sich wie der Makrokosmos zum Kleinsten hin. Das Lebens- und Wachstumselement wird vorherrschbar. Daneben werden Erfahrungen von Starrheit und Tod im Umgang mit den gefäßhaften Leuchtplastiken für den Betrachter gegenwärtig, der dann in einer Licht-Schatten-Performance im dunklen, leeren Raum zu dem Erleben geführt wird, welche Veränderung durch Licht und Dunkelheit bewirkt wird. Letztlich bieten Rika Ungers Plastiken dem Betrachter die Gelegenheit, Perspektiven, die über die Gebundenheit an den Kreislauf des Lebens hinausgehen, wahrzunehmen.

  

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