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Das Souterrain
Wenn man das Souterrain betritt, fällt der Blick auf das
Holzrelief "Meditation in rotem Holz". An der Wand des
ersten Raumes links sieht man verschiedene Fassungen dieses
Themas: das Gesicht des Erbarmens, des Mitleidens und der
Liebe. Der Monoriss Nr. 86 verkörpert dieses Thema in
besonderer Weise: wie hintergründig leuchtend erscheint ein
Gesicht hinter dem violetten Kreuz. Rika Unger hat diesen
Monoriss als Ikone bezeichnet.
An der Wand gegenüber finden sich Skulpturen, über die Rika
Unger in einer Veröffentlichung den Titel "Erlebtes
Bewusstsein" gesetzt hat, also Formen des Menschseins und
seiner Verwandlung. Die Spannbreite reicht vom "Minusmensch"
(Großphoto in der Ecke), dem selbstbezogenen, nicht außer
sich selbst wahrnehmendem Menschen bis zu der Gestalt in dem
Monoriss Nr. 89, die man als Aufgenommensein in eine andere
Wirklichkeit verstehen kann.
Betritt man jetzt den großen Raum, so sieht man rechts
verschiedene Monorisse (Nr. 83, 89a, 78, 1984, 102), die
Formen und Themen aus der Natur aufgreifen. Das Staunen über
die Geordnetheit der Natur, die Bewahrung der Schöpfung sind
wichtige Aspekte des Werkes von Rika Unger. So bilden die
beiden Werke "gequälte Kreatur" und "der "sterbende Baum"
einen Gegensatz zu den Darstellungen der Bäume in diesem
Teil des Raumes.
Wendet man sich dem anderen Teil des Raumes zu, so fällt
zunächst der Auferstehungsengel (Original in der
Versöhnungskirche in Münster) auf. Seine Gebärde drückt die
Kraft aus, die gegen das Dunkle und Bedrohliche kämpft. Die
lichten Räume verweisen auf das Überirdische dieser Gestalt.
Die drei Monorisse vor dem Auferstehungsengel (Nr. 110 und
ohne Nummern) stehen in engem thematischen Zusammenhang mit
dem Auferstehungsengel: der erste symbolisiert mit seiner
Dynamik und der Verwendung der Farbe Gold die göttliche
Schöpfungskraft, die beiden anderen greifen biblische
Inhalte auf, ein Wort aus der Leidensgeschichte Jesu und die Emmausgeschichte. Dabei war es der Künstlerin wichtig,
solche Bezüge nicht als Illustration biblischer Inhalte zu
verstehen, sondern in der Offenheit der Gestaltung auch
andere Deutungen zu ermöglichen.
Die drei Monorisse (Nr. 70a, 49, 79) sind aus der
Auseinandersetzung mit der biblischen Botschaft von Kreuz
und Auferstehung entstanden: das Kreuz als heller Raum, als
Zeichen für eine andere Dimension und Orientierungspunkt in
unserer Wirklichkeit; dann als Zeichen des Anstoßes und der
Verheißung: "Ich habe eine Tür aufgetan, die niemand
zuschlagen kann".
Wendet man sich dem Gang zu, so sieht man links Photos der
Trilogie aus Stahl und Plastik: "Recycling central",
"Gefangen im Eigenen, "tödlicher Sog" und "Verstiegen SOS".
Mit diesen Objekten wollte Rika Unger auf den Zeitgeist der
Maßlosigkeit und der Missachtung der natürlichen Grenzen
aufmerksam machen und zugleich die Notwendigkeit einer
Vernetzung und Begrenzung vor Augen führen.
Die kleinen Monorisse im Gang geben der Phantasie des
Betrachters viel Raum. Immer ist die Korrespondenz zwischen
dem hellen Rand des schwarzen Papiers und der Farbigkeit
wichtig. In dem letzten Raum sind einerseits Monorisse zu
sehen, andererseits
kleine Skulpturen, Portraits und Leuchtplastiken. Die
Leuchtplastiken sind als Tongefäße aus verschiedenen Teilen
aufgebaut, so dass sie im Dunkeln, wenn innen kleine
Teelichter eingesetzt werden, einen Raum in einem Kosmos aus
Licht und Dunkel verwandeln.
Rika Unger hat die Leuchtplastik als Sinnbild für Menschen
verstanden, die in ihrem Leben ein Licht für andere waren.
Sie hat einige nach diesen Menschen benannt, z.B. Janusz
Korczak, Albert Schweitzer. Darüber hinaus ist eine
Leuchtplastik Ausdruck der Kraft des Lichtes in konkretem
und übertragenem Sinn. Dieses Thema prägt auch die Monorisse
in diesem Raum. Bei allen kann man ein Leuchten vom
Hintergrund aus sehen, ein Leuchten, das nicht blendet oder
suggestiv ist, sondern für eine andere Dimension steht.
© Text: Dr. Gabriele Bieling,
Münster
© Fotos (2) oben: Dr. Georg Eggenstein, Dortmund
© Fotos (3) unten: Heinz Hasselberg, Steinfurt |